Ausstellung
Běla Kolářová & Lucie Stahl
Kooperation mit dem Kölnischen Kunstverein
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Mit Běla Kolářová & Lucie Stahl zeigt die Stadtgalerie Schwaz die erste Ausstellung unter der neuen künstlerischen Leitung von Cosima Rainer.
Die Ausstellung präsentiert zwei Künstlerinnen ganz unterschiedlicher Generationen. Was sie eint, ist ihre konkrete Bezugnahme auf Alltagsobjekte, die aus dem weiblich codierten Lebenszusammenhang stammen. Auch wenn sie diese Objekte auf sehr unterschiedliche Weise aneignen und verarbeiten, erzeugen Belà Kolářová (1923-2010) und Lucie Stahl (*1977) einen subtilen feministischen Kommentar, der mit feiner Ironie und Gesellschaftsanalyse angereichert ist. Zusätzlich verbindet beide Künstlerinnen ihr unkonventioneller und geradezu intimer körperlicher Zugriff auf reproduktionstechnische Medien. Lucie Stahl erzeugt ihre in Polyurethan gegossenen Tintenstrahldrucke, indem sie alle möglichen, teilweise fetischistisch aufgeladenen Objekte (u.a. Badeschaum und diverse Öle) auf einen Scanner „aufträgt“, während Běla Kolářová mit Röntgen- und Fotogrammen von abgeschnittenen Frauenhaaren sowie mit Zeichnungen mit „Make up“ und Assemblagen aus Ösen, Sicherheitsnadeln etc. experimentiert. Daneben gibt es bei beiden KünstlerInnen einen nüchternen Fokus auf die Arbeit mit Text: bei Stahl durch selbstgeschriebene Kurztexte und bei Kolářová über die Arbeit mit Werktiteln, Gedichten und dem Bezug auf konkrete Poesie.
Ebenso direkt wie Lucie Stahls Motive die BetrachterInnen konfrontieren, adressieren die in den neuen Bildern integrierten Texte alltägliche Ereignisse aus dem Kunstbetriebszusammenhang. Die kurzen Texte, die bewusst meist auf Englisch verfasst sind – gehen aus von Situationen nach Eröffnungen oder Symposien, in denen an der Bar diskutiert wird und nehmen teilweise surreale Formen an. In diesen lakonischen Textfragmenten spürt Stahl aber auch Ressentiments und reaktionäre Grundhaltungen auf, die sich im Bezug auf Geschlechtsidentität im scheinbar liberalen und auf Gleichberechtigung hin ausgerichteten Kunstbetrieb finden.
Der Einsatz des Scanners, der ja nicht gerade mit Kategorien der Originalität oder künstlerischer Virtuosität in Verbindung gebracht wird, ist bei Lucie Stahl programmatisch. Trashige Materialien und dreidimensionale Objekte werden in Stillleben verwandelt, die sich durch libidinös aufgeladene Kombinationen auszeichnen und deren Größenverhältnisse dann stark verzerrt im Posterformat und eingelassen in hochglänzendem Polyurethan erscheinen. Mit Flüssigkeiten, Ölen, Schaum und pudrigen Materialien erzeugt sie malerische Motive, die das kulturell distinguierte Medium der Malerei selbst durch die Banalität von „minderen“ Alltagsmaterialien thematisieren. Zusammenfließende farbige Slimy-Substanzen, kunstvoll verschmierte Mayonnaise und Ketchup wirken wie ein ironischer Kommentar zu den heroischen Werken des Abstrakten Expressionismus.
Ganz andere Wirkungen erzeugt Běla Kolářová. In ihren extrem akkurat geordneten Materialbildern und Assemblagen, die sie seit den späten 1960er Jahren konstruierte, tauchen Alltagsobjekte in perfekten neokonstruktivistischen Strukturen auf. Gerade in diesen strikten Ordnungssystemen entfalten sie aber auf besondere Weise ihre humorvolle Wirkung. Běla Kolářová entwickelte dadurch ein ganz eigentümliches Vokabular, das an die Methoden des Konstruktivismus und der Pop Art anknüpft und in der tschechischen künstlerischen Tradition herausragend ist. In den frühen 1960er Jahren experimentierte Kolářová bereits mit dem Medium der Fotografie. Mit der Technik der „Fotografie ohne Kamera“ kreierte sie ihre legendären Röntgenogramme von Kreisformen, die an Man Rays „Rayogramme“ und Marcel Duchamps Rotoreliefs anknüpfen.
Einen wichtigen Einfluß auf ihre Arbeit hatte auch die Visuelle Poesie, wie sie auch von ihrem Mann Jiři Kolář entwickelt wurde. In ihrem Alphabet of Things, 1964 komponierte Kolářová in Form von Fotogrammen ein ABC aus gefundenen Alltags-gegenständen. Ihre obsessive Verwendung von feminin codierten Gegenständen wie Haaren, Schmuckperlen, Ösen, Lippenstift, Werbefotos, etc. thematisieren gesellschaftlich geschlechtsspezifische Zuschreibungen und wirken auch wie ein humorvoller Kommentar auf die ernsthaft strengen künstlerischen Strömungen ihrer Zeit.
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