Ausstellung
In den 60er- und 70er-Jahren hatten die Fotokopiergeräte Einzug in die modernen Büros gehalten. Es dauerte nicht lange, und die Kunst wurde auf das bildnerische Potential aufmerksam und bezog die Fotokopie in ihre Arbeit ein. Die Konzeptkunst zum Beispiel fand in der Fotokopie das ideale Medium, um ihre Ideen durch die rasche Multiplikation von Texten und Bildern zu veranschaulichen. In vielen Bereichen blieb der Fotokopierer ein geeignetes Werkzeug: Trickfilm, Archive, Buchgestaltung, Typografie usw. Verschiedene Effekte wie Stauchung, Streckung, Vergrößerung, Verkleinerung, Farbkontraste, Helligkeit, Dunkelheit lassen sich am Kopiergerät relativ einfach und schnell erzielen. Technische Neuerungen ermöglichten zudem die Vervielfältigung von Druckwerken auch auf anderem Material als auf Papier.
In den Galerieräumen wurden drei zeitgenössische Positionen gezeigt, die mit ganz unterschiedlichen Materialien die Möglichkeiten einer Multiplikation aufgriffen.
Gleichzeitig erhielten durch die Bereitstellung von Papier und Kopiergerät auch die BesucherInnen der Ausstellung Glegenheit, Copy Art zu produzieren.
Zwei anonyme Projekte im öffentlichen Raum - ein Mail Art-Projekt und eine Plakatinervention - waren ebenso Teil dieser Ausstellung.
Tom Barth gab seiner Rauminstallation - durch Spiralen unterbrochene Röhren aus transparenten Folienkopien - den Titel Der Kreis schliesst sich nicht - über Erinnerung als Vostellung und umgekehrt. Die endgültige Rauminstallation durchlief mehrere Realitätsverluste beziehungsweise neue Realitätsfindungen. Bilder und Texte wurden abgelichtet, die Fotos auf Transparentpapier kopiert, die Kopien zu Objekten gerollt, und diese im Raum installiert.
MB zeigte die Arbeit Surface/Bottom-Oberfläche/Grund. Ein Ensemble von 90 A4-Aluminiumplatten war am Boden ausgelegt. Aluminiumschliff und Schellack auf Papier, durch Befeuchten gewellt, beidseitig kopiert und auf Aluminium kaschiert und laminiert, die Herstellung durchlief ebenso mehrere Vervielfältigungsprozesse. Zudem erhielt die Bodenskulptur auch durch die spezielle Materialwahl eine ganz eigene optische und haptische Struktur.
Christine S. Prantauer verwendete in der Werkgruppe 5 Beispiele die Technik eines Kopierverfahrens auf Glas. Es entstanden 5 Acrylglasbilder , und durch das Übereinanderlegen von mehreren Glasplatten wurde eine Schichtung verschiedener Themen ermöglicht. Titelblätter von österreichischen Tageszeitungen waren mit Einladungskarten von internationalen Kunstinstitutionen und mit den Ziffern 1 bis 5 überlagert. Für die Künstlerin bedeuteten die drei Ebenen Pressemedium, Kunst und Zahlen unweigerlich miteinander verknüpfte Systeme.
Anonym I plakatierte in der Stadt Schwaz seine selbst gestalteten Kreuzworträtsel. Optisch den herkömmlichen Schwedenrätseln angepasst, hatte Anonym I ein nicht zu lösendes Frage-Antwort-System konstruiert. Nicht nur das Rätsel selbst blieb unlösbar, durch das Fehlen eines Urhebers waren die nicht einzuordnenden Plakate in der Stadt allen ein Rätsel.
Anonym II verschickte an alle in der Kartei der Galerie der Stadt erfassten Adressen eine Postsendung aus Brasilien: braune Papiersäcke mit perforiertem Bodenteil mit der Aufschrift "...privilegieren erzeugen zensur erzeugt privilegien erzeugen...". Dies war der Auftakt einer Serie an Postsendungen, die die GalerieadressatInnen in den nächsten Jahren noch erhalten sollten.
Text: Andrea Hörl
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