Ausstellung
Die Stadtgalerie Schwaz zeigt erstmals die Schweizer Künstlerfamilie Rabus aus der französisch sprachigen Neuchatel in der Schweiz. Alle Familienmitglieder – Vater, Mutter und die beiden Söhne – schaffen eigenständige Werke und doch verbinden sich die Arbeiten zu einem intimen und sensiblen Familienporträt der gegenseitigen Einflussnahme.
Vater Alex (1944) malt großformatigen neo-surrealistische Bilder, die in ihrer all-over-painting Struktur das klassische Motiv des Horro-Vacui aufgreifen. In ihrer sehr kleinteiligen Narration schaffen die Bilder ein Gefühl vom vollkommenen Illusionsraum, der eine Angst vor der Leere impliziert. Das Bild “L´arbre de la mere“, dt. Baum der Mutter, stellt einen in grün und blautönen dargestellten Baumstamm dar, der sich in seiner Kleinteiligkeit fast im Hintergrund verbindet. Ebenfalls macht der Vater Bronzeskulpturen, die seine humoristische Seite aufzeigen. Zentrales Thema ist ein spielender Hund.
Die Mutter Renate ergänzt die Narration in ihren Werken durch literarischen und musikalischen Vorlagen. In sehr aufwendigen zu Bildleinwänden aufgespannten Stickereien visualisiert sie für die Ausstellung Schuberts Winterreise. Mit handwerklicher Präzision – wie es Schweizern sprichwörtlich in die Wiege gelegt zu sein scheint – werden Faden und Nadel zu Pinselstrich und Farbe im Bildraum.
Die Kunstfertigkeit seitens der Eltern, einen Hyperrealismus in den unterschiedlichen Stofflichkeiten der Farben und kleinteiligen Feinzeichnung oder in Stickereien darzustellen, spiegelt sich ebenfalls im Werk beider Söhne.
Während der Erzählraum bei den Eltern noch essenzielle zu einer komplexen Bilddichte verwebt wird – der von der Realität abgehoben sich eher in den Ebene des imaginären und fast übergeordneten kosmischen bewegt – konzentrieren die Söhne die Erzählung in Einzelmotiven und großräumigen Freiflächen, die eher eine Leere, denn ein Horror Vacui (Bildverdichtung) zitieren.
Der jüngere Sohn Léopold (1977) stellt reale Erlebnisräume dar, deren Existenzen kafkaesk implodieren. Der dargestellte Menschen und sein Umraum werden zu dem kleinsten Rest menschlicher Psyche vereinzelt und verlieren sich zu einem tragisch grotesken Bildgefüge. Leopold konterkariert die bourgeoise Kleinbürgerlichkeit. Das Bild „Le point d´eau“ dt. am Wasserpunkt bringt dieses Bildthema fast klaustrophobisch auf den Punkt. Vor einer grau aufstrebenden grauen Hausfassade scheint eine Figur fast in den Schacht der Außentreppe zu stürzen. Instabil steht die Figur mit gespreizten Zehen auf der Brüstungsabsatz und stabilisiert mit der vermeintlich ausgestreckten linken Hand einen Wassereimer, der eine defekte Dachrinne erreicht. Blick man genauer hin, merkt man, dass sich die Hand aus vielzahligen Fingern und Händen zusammensetzt. Jener simple Akt, eine Dachrinne vor dem Überlaufen zu hindern, kulminiert in den sich wiederholten Fingergliedern, die den Akt in ihrem scheitern bestätigen. Im Porträt seines Freundes kommt auch die humoristische Seite des Künstlers, wie bei seinem Vater, zum Tragen. Klein und verschmitzt steht der schmächtige Mann neben einer Komode und vor einer biedermeierlich gestreiften Tapete. Leopold liebt es ebenfalls antike Rahmen zu sammeln. Diese bestückt er mit Medaillon großen, absurden Bildern, die er oft mit aus Echthaar geflochtenen Blumen- und Kranzmotiven arrangiert. In der Ausstellung zeigt er eine Serie ausgestreckter Finger, die sich ebenfalls im Absurden bündeln.
Der ältere Sohn Till (1975) drängt hingegen zu einem schonungslosen Photo-Realismus in der Malerei, der aus der Beiläufigkeit eines in schwarzen, aufgetürmten Müllsäcken eine hyperrealistische Ästhetik schafft. Hier werden auch handelsübliche Fleischstücke, die appetitlich beim Metzger dargeboten werden, zu abstrahierten Stillleben. Die Bilder konfrontieren den Betrachter mit seiner Umwelt, seinen weg geworfenen Gegenständen genauso wie mit seiner Konsum- und Warenwelt. Ist es bei Leopold noch das individuelle Scheitern, die den Mensch zu der Karikatur seiner selbst macht, wir bei Till der Kreislauf unserer Konsum- und Warenwelt zu einem vermeintlichen Kollaps stilisiert, der – wenn wir unser Verhalten nicht ändern – zwangsläufig eintreten wird.
Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes bohren die jeweiligen Arbeiten der Familienmitglieder an unsere Lebenswelt, die sie liebevoll und ironisch darzustellen verstehen. Umso reicher scheint dieser kreative Schatz, wenn man ihn vor dem Hintergrund des Familienverbandes betrachten kann. Die Söhne wohnen nur drei Straßen von den Eltern in Neuchatel entfernt, teilen sich mit ihrer eigenen jungen Familien ein großräumiges Wohnatelier. Die Familie Rabus ist ein kreativer Familienbetrieb.
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