Ausstellung
Fidelity
Beatrix Curran, Gordon Monahan und Schwazer Sound-Aktivismus | Kuratiert von Cosima Rainer und Matthias Osterwold
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In Kooperation mit dem Festival Klangspuren Schwaz präsentiert die Ausstellung Fidelity mit dem Kanadier Gordon Monahan (*1956) und der Australierin Beatrix Curran (*1988) zwei Künstler in der Galerie der Stadt Schwaz, die sich auf unterschiedlichen Wegen der musikalischen Konzeptkunst widmen. Zudem werden in der Ausstellung auch Dokumentationsmaterialien über avantgardistische Musik- und Sound-Performances, die in Schwaz seit den 1960er-Jahren Tradition haben, zu sehen sein.
Das Thema „Sound“ ist in der Stadt Schwaz schon seit langem erstaunlich präsent. Bereits in den späten 1950er Jahren wurde mit dem „Studio 12“ ein avancierter Jazz- und Underground Club eingerichtet, der laut damaliger Pressemeldung für „moderne Ein- und Ansichten“ stand, was deutlich macht, dass es dabei selten nur um akustische oder musikalische Phänomene, sondern auch um gesellschaftlichen Aktivismus ging. Bereits In den 1960er Jahren folgten interdisziplinäre „Jazz-Tage“, die in den 1970er Jahren in das Festival „Schwazer September“ umbenannt wurden. Zu den besonders aktionistischen Sound-Events gehörten das „Gipfelkonzert auf dem Gschöllkopf“ – das sogar im Guinness-Buch der Rekorde vermerkt wurde – oder der überdimensionale Riesensessel, der als „Schwazer Kultursessel“ als Bühne für Live-Auftritte im Stadtraum gedacht war. Dass Musik und deren inhaltliche Ausrichtung dabei als eine Form der Gegenkultur und Gegenöffentlichkeit zur herrschenden traditionellen Kultur verstanden wurde, war offensichtlich. Wie aggressiv diese wiederum darauf reagierte, zeigte der Abriss des Kultursessels noch in der ersten Nacht.
Sound bietet als weiche gesellschaftliche Architektur die Möglichkeit, Inhalte und Empfindungen weiterzutragen und Subjektivierungsprozesse zu formen. Entsprechend stand lange besonders die experimentelle Musik für das Bestreben musikalische und gleichzeitig auch gesellschaftliche Grenzen aufzubrechen. Der in den späten 1950er Jahren in den USA aufkommende Free Jazz reflektierte beispielsweise auch den Befreiungskampf der afroamerikanischen Bevölkerung. Diese Sound-Stellungnahmen erzeugen transformative Wirkungen und eigene sozial-politische Kontexte. Dies wurde in Schwaz durch den international renommierten Jazzclub „Eremitage“ lange Zeit fortgesetzt und für eine ganze Generation von Besucherinnen der 1970er und 80er Jahre zur prägenden Erfahrung und Inspiration.
Diesen Traditionslinien geht die Ausstellung Fidelity (Klangtreue) nach, bzw. bleibt sie ihnen „treu“. Zur Eröffnung der Ausstellung singt Beatrix Curran eine Interpretation von Alban Bergs „Peter Altenberg Lieder nach Ansichtskartentexten“, die in dem berühmten „Watschenkonzert“ von 1913 im Wiener Musikvereinsaal unter Empörung eines Großteils des Publikums erstmals aufgeführt wurden. In ihrer Interpretation mit dem Titel „Five Songs“ singt Beatrix Curran die Lieder zeitgenössisch „harmonisch überbearbeitet“ in einem Set up von Producer Roland Gaberz, der unter dem Alias Forever Traxx international auftritt.
In der Ausstellung selbst zeigt Curran die Text-Foto-Serie 4VS, deren Titel ein Kürzel für das ist, was Curran die „Vierte Wiener Schule“ nennt. Sie beschreibt darin mit Referenz auf die „Erste Wiener Schule“ (Haydn, Mozart und Beethoven), der „Zweiten Wiener Schule“ (Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern) und der „Dritten Wiener Schule“, worunter Curran Komponisten wie Olga Neuwirth, Beat Furrer und das Klangforum Wien versteht, die von Offenheit, hybrider Mischung und Internationalität gekennzeichnete aktuelle Wiener Musikszene, wie sie sich in Clubs, Galerien, Salons und anderen Gelegenheiten herausbildet. Ihre Thesen hat Curran handgeschrieben in einem tagebuchartigen Stil formuliert und anschließend mit Epoxy und Farben überarbeitet.
Gordon Monahan versetzt als Sound-Konstruktivist die Galerie der Stadt Schwaz Innen und Außen in Schwingung. Er ist bekannt für seine experimentellen Arbeiten mit Klavieren, Lautsprechern, Video, Theremin, kinetischer Skulptur und computer-gesteuerten Sound-Environments, die als Konzertmusik, Multimedia-Installation oder Klangkunst präsentiert werden. Die beiden von ihm gezeigten Arbeiten "Kinetic Audio Transmissions" und "A Piano Listening to Itself" bedienen sich ähnlicher physikalisch-mechanischer Phänomene, die sowohl als Installation im Innenraum wie im Außenraum realisiert werden. Verstärkte Audio-Signale mit Aufnahmen gesammelter konkreter Geräusche oder klassischer Musik werden benutzt, um kleine sogenannte Solenoid-Motoren kinetisch zu steuern; deren Bewegungen regen lange Saiten an, deren Vibrationen wiederum auf diverse Objekte und Musikinstrumente wie Gläser, Schachteln, Trommeln oder eben im Freien auf ein Klavier oder einen Flügel übertragen werden, die als Resonanzkörper die Eingangssignale hörbar machen. Diese Gegenstände funktionieren so auf rätselhafte Weise als Lautsprecher, ohne dass je ein elektro-magnetischer Lautsprecher üblichen Typs im Spiel war. Das auf dem Platz vor der Schwazer Stadtpfarrkirche aufgestellte Klavier wird über lange Saiten angeregt, die vom Dach des barocken Palais Enzenberg abgespannt werden, in dem sich die Galerie befindet. Vom Resonanzboden des Klavier erklingt wie von Ferne romantische Klaviermusik, und manchmal mischen sich sphärische Klänge hinzu, wenn unberechenbare Winde in das Inntal fahren und die langen Saiten durch die Brechung des Windes äolisch zum Klingen bringen.
kuratiert von Cosima Rainer und Matthias Osterwold
kuratorische Mitarbeit: Bianca Moser
Fotos © WEST. Fotostudio
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