Ausstellung
Die Galerie der Stadt Schwaz zeigt die erste institutionelle Einzelausstellung des Hamburger Künstlers Henning Bohl in Österreich. Bohl, der in Wien eine Professur für Malerei innehat, arbeitet an einem deutlich erweiterten Bildbegriff, an ebenjenen Schnittstellen, die den Aufbau von Bildform und ihrer räumlichen Organisation untersuchen. Er befragt einerseits die Rahmenbedingungen des Bildes und lässt andererseits diese selbst in seinen Installationen auftreten.
In Schwaz zeigt er neue Objekte und Zeichnungen, die sein in jüngster Zeit entwickeltes Vokabular weiter ausdifferenzieren. Lanzenartige Objekte, metallene Markisen und Draperien aus Pannesamt bilden Akteure in einem bühnenhaften Setting. Die Handlung ist obskur, aber bestimmt. Die zentrale Wand der Ausstellung wird von einer Art mehrarmigen Zeremonienmeister aus gedrechselten Stäben mit Handschuhen, die in alle Richtungen weisen, dominiert. Auch die Form dieses Wandobjekts selbst ist multiperspektivisch. Zeigt hier jemand mit Fingern auf andere oder wird versucht, einen entfernten Punkt zu berühren, die Distanz mit überlangen Armprothesen zu überbrücken? Sind es überhaupt gestikulierende Arme oder doch mittelalterlich anmutende Waffen, bzw. ihre gepolsterten Nachfahren aus zeitgenössischen Live Action Rollenspielen?
In vielen seiner Arbeiten gibt es solche Überblendungen von historischen Bezügen mit ihren Nachbildern aus Zusammenhängen, die jenseits eines kunsthistorischen Kanons ihr Eigenleben entwickelt haben. Etwa aus der Welt der Computerspiele, der Fantasy-Literatur, der „DeviantArt“, der Heraldik. Es werden unterschiedliche Systeme aufeinander bezogen und gerade dadurch eine Vielzahl von Lesarten angeboten. Es sind widersprüchliche Operationen, die Bohl vorführt, zwischen Illusion und Desillusionierung, dem Bedürfnis nach Authentizität bei gleichzeitiger Ablehnung derselben, auf der Suche nach Grenzlinien und Kippstellen, an denen entlang sich die Arbeiten aufbauen. Auf der einen Seite zeigen sie ihre Herkunft und Machart, auf der anderen geben sie sich ganz einem fantastischen Illusionsraum hin, der aus den verschiedenen Quellen und Interessengebieten Henning Bohls gespeist wird.
Das Zuspitzen auf eine mit sich selbst identische, absolut gesetzte Form wird hier ad absurdum geführt und stattdessen ein Möglichkeitsraum eröffnet, der die Unerreichbarkeit positiv besetzt und die Mehrdeutigkeit der schillernden Geste feiert.
Kurz-Bio
Henning Bohl ist Professor für Malerei für angewandte Kunst in Wien. Er hat unter anderem bei der Carnegie International in Pittsburg, What Pipeline in Detroit, im Hamburger Kunstverein, in der Kunsthalle Nürnberg und im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf ausgestellt.
Text: Anette Freudenberger
Fotos: Verena Nagl
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