Ausstellung
Den Ausgangspunkt seiner aus drei Installationen bestehenden Ausstellung bildet Matti Brauns Interesse an den Verschiebungen und Überschneidungen unterschiedlicher Kulturen und an deren Wirkung auf politische und gesellschaftliche Prozesse. In allen drei dieser Arbeiten verwendet er Spiegelgläser, die er in unterschiedlicher Weise einsetzt. Für Edo recherchierte der Künstler das Interesse europäischer Intellektueller und Künstler an kulturellen und gesellschaftlichen Leistungen des historischen Japan am Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit dem Titel Edo, der früheren Bezeichnung der Stadt Tokio, wird auch der wehmütige Umgang mit der Geschichte anderer Kulturen thematisiert. Im Gegensatz zum revolutionären Umgang mit der eigenen Kultur rücken Bewahrungs- und Rettungsideen das wissenschaftliche und künstlerische Interesse in ein postkolonialistisches Licht.
In Ghor erarbeitet Matti Braun die Biografie Leopold Sedar Senghors, Staatspräsident des Senegal von 1960 bis 1980. Am Beispiel der Lebensgeschichte und des politischen Wirkens dieses Mannes wird das erfolgreich praktizierte, aber höchst problematische Changieren zwischen den Kulturen aufgezeigt. In der Wand- und Raumarbeit Bali beschäftigt sich Braun mit einer Südsee-Reise F. W. Murnaus Ende der 1920er Jahre und dessen durch die Briefe seines auf Bali lebenden Freundes Walter Spies genährten Hoffnungen und Sehnsüchte auf ein Leben im Paradies. Der Schriftwechsel der Freunde bildet den Hintergrund einer Recherche kultureller und gesellschaftlicher Bedingungen in Europa und Amerika jener Zeit und die daraus resultierenden Projektionen auf eine neue und andere Welt. Matti Brauns Installation zeigt keine ausstellungstechnisch aufbereitete Dokumentation von Recherche-Ergebnissen. Der Künstler verwendet diese als Basis zur Visualisierung seiner Erfahrungen. Die Ausstellung zeigt den Versuch, einen hochkomplexen Diskurs durch Reduktion und skulpturale Übersetzung zu verdichten und neu zu öffnen.
Kuratiert von Martin Janda
Anhören