Ausstellung
Die Kombination Kamin und Bild ist eine signifikante Koppelung. Sehnsüchte, die aus der Glut aufsteigen, treffen oberhalb des Kaminsims auf ihre bildliche Entsprechung, auf Gemälde, Flachbildschirme, Armadas gerahmter Familienfotos. Melanie Ebenhoch aber platziert ihre Leinwände nicht über, sondern im Kamin, dort wo die Projektionen in Rauch aufgehen. Malerei ist bei ihr in einen größeren räumlichen Kontext an der Schnittstelle zur Skulptur eingebunden. Oft haben ihre Bilder eine haptische Oberfläche, die den Übergang zwischen der illusionistischen Tiefenwirkung und der unmittelbar physischen Präsenz der Arbeit im Ausstellungsraum markiert.
In Schwaz zeigt sie mehrere Objekte, die Malgrund und Bilderrahmen zugleich sind: Kamin-Attrappen, die von Jane Mansfields Anwesen „Pink Pallace“ am Sunset Boulevard in Los Angeles inspiriert sind, das auch auf einem der Kaminstücke zu sehen ist. Ein anderes zeigt das Haus von Rudolph Valentino. Jane Mansfield hat ihr Domizil zum ultimativen Kitsch-Tempel als Bühnenprospekt für ihre Selbstinszenierungen ausgestaltet. Die Ikone drehte noch eine Schraube weiter an dem von Marilyn Monroe verkörperten Bild von Weiblichkeit, bis ihr die Darstellung der blonden Sexgöttin fast zur Persiflage geriet. Melanie Ebenhoch beschäftigt das Frauenbild in Filmen der 1950er bis 60er Jahre, die Fixierung der Frau im ebenso grandiosen wie engen Korsett dieses Bildes, dessen Nachwirkungen bis heute spürbar sind.
Die Kamin-Skulpturen erinnern mit ihrem vorgetäuschten Bruchsteinmauerwerk an Vorläufer aus Landschafts- und Gartenarchitektur, an Ruinen, die als point de vue aufgestellt wurden, um ein landschaftliches Bild zu erzeugen, das seinerseits wieder zur Vorlage für Malerei wurde. Sie erinnern auch an Themenparks oder Rundbilder, die Bildfläche und Dreidimensionalität effektvoll zusammenschalten. Die in Ebenhochs Arbeiten mitschwingenden Assoziationen, setzten also genau da an, wo in der Vergangenheit Träume und Begehren erzeugt wurden und untersuchen diese Mechanismen hinsichtlich ihre Aktualität.
Architektonisch sind Kamine Übergänge zwischen Innen und Außen. In den USA symbolisiert die offene Feuerstelle im Haus auch eine Verbindung zur ursprünglichen Weite der amerikanischen Prärie und stellt damit den Traum von Ungebundenheit und Freiheit in seiner domestizierten Form dar. Das unverputzte Mauerwerk bildet oft ein rustikales Element in einem modernistischen Ambiente, so z. B. bei Frank Lloyd Wright, dessen für Marilyn Monroe entworfenes Haus zu seinen Lebzeiten nicht realisiert, später allerdings auf Maui als Golf Club umgesetzt wurde. Den Schriftzug dieses exklusiven Vereins verwendet Ebenhoch als Entree.
Sie verschiebt sowohl in den Arbeiten selbst, als auch in der Präsentation immer wieder die Bezugsrahmen und gewinnt ihnen so immer neue Perspektiven ab. Zwei Bilder zeigen eine stilisierte junge Frau, die sich vornüber beugt und durch ihre Beine hindurch auf die Betrachterin/den Betrachter schaut. Das Bild blickt zurück. Es stört den voyeuristischen Blick, der sich unbeobachtet wähnte. Ebenhoch stellt die Verhältnisse auf den Kopf. Anders als in Gustave Courbets Bild „Der Ursprung der Welt“ dreht sich bei ihr die Frau um und „moont“ mit karnevalesker Frechheit in Richtung Betrachter/in. „Mooning“ ist die Verhöhnung eines Gegners durch Entblößen des Hinterteils. Das Phänomen ist nicht neu, selbst wenn es sich in den letzten Jahren viral verbreitet hat. Sogar unter dem Goldenen Dachl in Innsbruck gibt es eine kleine Figur, die dem Publikum den blanken Po entgegenstreckt.
Irritierender noch als das Durchkreuzen herkömmlicher Blickregimes ist, dass dem freundlichen Mondgesicht die Betrachter/innen möglicherweise doch völlig gleichgültig sind, dass es vielmehr nur an der eigenen Anatomie interessiert ist. Noch dazu trägt das Bild seinen Affront zärtlich mit scheinbarer Naivität in einer Art Guckkastenbühne vor, deren Vorhang von den Beinen der Figur gebildet wird. Dazwischen sieht man romantische Landschaftsmotive. Melanie Ebenhoch betreibt lachend ein subversives Spiel, ein permanentes Framing und Re-Framing und liefert damit einen pointierten Vorschlag, wie die heutige Gegenwart, der jedes Maß abhanden gekommen scheint, mit den Mitteln der Malerei befragt werden kann.
Text: Anette Freudenberger
Fotos © Verena Nagl
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