Ausstellung
In Kooperation mit #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen
„Unter kahlen Bäumen sitzen um die zwanzig Menschen auf Gartenstühlen oder stehen in kleinen Gruppen zusammen. Es sind Männer und Frauen mittleren Alters und älter, alle in Mäntel und Hüte gekleidet. Um sie herum auf dem Boden befinden sich mehrere Gepäckstücke und Bündel. Einige Gartenstühle sind unbesetzt. Der hintere Teil des Biergartens ist leer. Reste von Laub liegen auf dem trockenen Boden. Der Himmel, den das Bild verbirgt, scheint bedeckt zu sein. Das Foto zeigt einen Teil des weitläufigen Außenbereichs des Breslauer Vergnügungslokals Schiesswerder.“
#LastSeen. Bilder der NS-Deportationen ist ein internationales Forschungsprojekt, welches fotografische Quellen über NS-Deportationen von Menschen, die als Jüdinnen und Juden, Sinti:zze und Rom:nja verfolgt wurden, sowie von Opfern der NS-„Euthanasie“ systematisch zusammenführt, wissenschaftlich erschließt und digital veröffentlicht.
Massendeportationen aus dem Deutschen Reich wurden ab Herbst 1941 durch Gestapo-Angehörige und Polizisten durchgeführt. Weitere staatliche Behörden, wie beispielsweise die Finanzverwaltung oder die Reichsbahn, waren in den Prozess eingebunden. Die im Bildatlas von #LastSeen veröffentlichten Fotografien zeigen, dass die Deportationen am helllichten Tag und vor aller Augen stattfanden. In den meisten Fällen handelt es sich um die letzten Bilder, die von den verfolgten Menschen gemacht wurden.
Nachdem Fotografien in der historischen Forschung lange Zeit lediglich als Illustrationen für historische Ereignisse verwendet wurden, werden sie heute als eigenständige Quellen behandelt.
Der Künstler und Autor John Berger beschrieb den widersprüchlichen Charakter des fotografischen Bildes: “Die Photographie als solche kann nicht lügen, aber aus dem gleichen Grunde kann sie nicht die Wahrheit sagen; oder richtiger: die Wahrheit, die sie mitteilt, die sie mit ihren Mitteln verteidigen kann, ist begrenzt.”[1]
Da Fotografien das Geschehen vor der Kamera zwar abbilden, das Abgebildete jedoch nicht erklären können, ist das Wissen um den historischen Hintergrund entscheidend, um die Bilder verstehen zu können.
Aufbauend auf den Recherchen des Historiker:innen-Teams von #LastSeen hat Miriam Visaczki detaillierte Beschreibungen der Deportationsfotos aus Breslau und Eisenach verfasst. Die eingesprochenen Texte sind im Kunstraum Schwaz in zwei Audio-Installationen zu hören.
Am 21. November 1941 dokumentierte in Breslau vermutlich der jüdische Architekt Albert Hadda heimlich die verhafteten jüdischen Menschen in einem zum Sammellager umfunktionierten Biergartenlokal.
In Eisenach nahm Theodor Harder, ein von der Stadtverwaltung beauftragter lokaler Fotograf, am 9. Mai 1942 den Zwangsmarsch von 58 jüdischenBürger:innen zum Bahnhof auf und dokumentierte das Einsteigen der Deportierten in einen Personenzug nach Weimar.
[1] Berger, John, Erscheinungen, in:Berger, John / Mohr, Jean (Hg.), Eine andere Art zu erzählen, München 1984, S.97.
Audio-Installation:
Sprecherinnen: Maria Zillich, Helena Lutz
Tonaufnahme: Alexander Visaczki
#LastSeen. Bilder der NS-Deportationen:
Wissenschaftliche Recherche Breslau: Lisa Paduch und Dr. Ramona Bräu-Herget
Wissenschaftliche Recherche Eisenach: Dr. Christoph Kreutzmüller
Gesamtherausgabe der Edition #LastSeen: Dr. Alina Bothe
Kooperationspartner von #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen:
Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution
USC Dornsife – Center for Adavanced Holocaust Research
Gedenkstätte Hadamar
Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz
Landeshauptstadt München – Kulurreferat – Public History München
Selma-Stern-Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Fördung von #LastSeen. Bilder der NS-Deportationen:
Alfred Landecker Foundation
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) (2021-2023)
Der Bildatlas #LastSeen wurde mit dem Grimme Online Award 2024 ausgezeichnet.
Anhören