Ausstellung
Der Maler Norbert Schwontkowski (1949) gehört zu den wichtigen deutschen Malern, deren Arbeiten vor allem international in den letzten Jahren große Beachtung fanden. Seine Werke finden sich in internationalen privaten und öffentlichen Sammlungen wieder. Die Kunstkritik bestätigt diesen Zuspruch und die Kunstszene feiert ihn, als ob Künstlererfolg selbstverständlich und unumgänglich wäre. Das ist der Stoff einer sprichwörtlichen Bilderbuchkarriere, wie sie sonst nur Hollywood schreiben könnte und Steven Spielberg gehört – ganz nebenbei gesagt – ebenfalls zu seinen prominenten Sammlern. Unbeeindruckt von alle dem wirkt hingegen die Bilderwelt von Norbert Schwontkowski, die sich – wie schon vom Beginn seiner Arbeit – dem Zauber wild gewachsener Weißheit am Wegesrand eher widmet, als am Rad der Eitelkeit zu drehen. Die in zarten Erd- und Rottönen gehaltenen Bilder sprechen von der Poesie des Alltags. Dazu benötigt er nicht mit Details aufgeladene Bildräume, sondern er erzählt mit minimalen Mitteln von seltsamen Zusammenkünften und Begegnungen in Welten, die den Charme des Surrealen evozieren.
Der Ausstellungstitel „Wir in dieser Drecksbrühe“ ist einer in Schwaz ausgestellten Arbeit von 1997 entnommen und spiegelt die Kraft der Gegensätzen am subtilsten wieder. Im ersten Moment ist man erschrocken und fürchtet Ausblicke in den Bodensatz verlorenen Lebens, bis man von den sechs fröhlich im Wasser planschenden Schwänen gänzlich überrascht wird. So zeigt auch das Bild „Pforte“ aus dem Jahr 1998 das schwarze Vinyl einer Schallplatte von „The Doors“, während das Bild „Künstlerhaus“ aus demselben Jahr ein bauchiges Hausboot zeigt, dass nur sanfte Wellen schlägt, anstatt das Architekturprofil einer renommierten Institution darzustellen. Ob sich die Pforten der oben beschriebenen „Türen“ jemals geöffnet haben, ist vielleicht nur eine der ungelösten Fragen mit der sich eine ganzen Generation beschäftigte, der auch Schwontkowski angehörte. Und ob der Bootsmann des Künstlerhauses wirklich ans richtige Ufer findet, darum ranken ganze Künstlerlegenden. Titel und Bild sind untrennbar miteinander verbunden. Die Ironie ist der Inspizient, der den Bildern gebrochene Leichtigkeit verschafft. Keine Tragik ohne Komik, kein Erfolg ohne Scheitern. Oder ist es umgekehrt? Das Werk Schwontkowskis richtet sich wie ein innerer Pulsschlag an die lebensnotwendigen Gegensätze des Lebens.
Im Bild „Der Docht“ (1994) sitzt eine traumverlorene Figur am Tisch mit einer Kerze, während das Bild „Baltische Licht“ (2001) von dem Treffen zwischen Schreibtischlampe und Kerze erzählt. Aber die Bilder blicken auch hinter die Kulissen, wenn sie wie in „Schwarze Diamanten“ (2004) die geborstene Scheibe eines Juwelier Schaufensters zeigen, oder in dem Bild „Im Echtgoldbazar“ (2003) eine schwarz eingehüllte Figur auf schwarzen Grund einen Einkaufswagen mit Kind am Betrachter vorbeischiebt. Die Tristesse ist kein Markenzeichen der Arbeit, sondern die Reduktion auf einen Augenblick, der eine Geschichte so schnell wie ein Luftzug erzählt. Das Bild „Mongole am dürren Baum“ (2004) verliert sich auf den ersten Blick im weißen Bildgrund. Die zarten Zweige scheinen keinem weiteren Windstoß mehr stand zu halten, aber die Figur am unteren Bildrand trägt schwere Last und hat es eilig, denn ein Nomade weiß eben seinen Weg auch ohne ein Ziel zu haben.
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