Ausstellung
Wenn in Venedig die Körper vom Himmel taumeln, scheinen sie trunken in die Unendlichkeit zu stürzen. Bis sie sich auflösen – dann flirren sie nur mehr als Punktwolken durch das Licht der Projektion. Rens Veltman misstraut den Versprechen mit der die digitale Revolution sich ihre Bahn bricht. Er gibt sich nicht dem Schwindel hin, nicht dem Schwindel, der uns wanken lässt, und nicht dem Schwindel, der uns glauben macht, es würde sich um die Eroberung einer neuen Welt handeln. In der Ausstellung, die Rens Veltman für die Galerie der Stadt Schwaz konzipiert, lässt er Maschinen operieren, die, gespeist mit spezifischen Algorithmen, Zeichnungen produzieren. Es handelt sich um Roboter, die Veltman selbst baut und programmiert. Gemäß ihres Programmes wählen die Linien innerhalb festgelegter Koordinaten den kürzesten Weg zwischen den einzelnen Punkten.
Wie der Handlungsreisende, der die Wege zwischen seinen Stationen zu optimieren sucht, lässt Rens Veltman seine Roboter nach Zahlen malen.
Das aus dem Slawischen kommende Wort Robota – bedeutet soviel wie Frondienst oder Zwangsarbeit – und wurde erstmals 1920 von dem tschechischen Künstler Josef Capek für eine Apparatur verwendet, die dazu dienen sollte, dem Menschen Arbeit abzunehmen. Ein Jahr später verfasste der Bruder des Künstlers Karel Capek ein Theaterstück mit dem Titel R.U.R in dessen Mittelpunkt eine Fabrik steht, in der billige und vor allem rechtlose Arbeiter gezüchtet werden.
Für Rens Veltman bildet nicht zuletzt diese Geschichte der Roboter die Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Mensch und Maschine, von Körper und Technologie. Was bedeutet es Arbeit so organisieren, dass sie von einer Maschine ausgeführt werden kann? Welche Formen der Abstraktion werden hier in Anschlag gebracht? Und wie sehen die Berechnungen aus, nach denen Bewegungen oder Denkleistungen automatisiert werden? Rens Veltman geht den Schaltplänen auf den Grund die nach physiologischen und logistischen Prinzipien konzipiert sind, um die Effizienzsteigerung von „Arbeit“ voranzutreiben. Er versucht die Anordnungen in den Micro Controllern mit ihren Dioden, Transistoren und Widerständen zu verstehen, um den spezifischen Operationen der Apparate auf die Spur zu kommen, und zugleich deren Funktionspotential auszuloten. Veltmans Untersuchungen gelten dabei nicht nur der so genannten Hardware, den Metallplatten, Drähten, Isolierungen und Leitern, sondern auch den digitalen codes der Software, den mathematischen Bausätzen der Algorithmen, die die unzähligen computerisierten Abläufe unseres Alltags bestimmen.
Als „Problem des Handlungsreisenden“ bezeichnet man einen Algorithmus, dessen Eigenschaft darin besteht, den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten zu finden. Nimmt man diesen Algorithmus als Grundlage für die Führung einer Linie erhält man die Kartografie einer optimierten Wegführung, Der Travelling Salesman kommt bei der Programmierung von Routenplanern genauso zum Einsatz wie bei Schneidemaschinen oder dem Lay-Out von Schaltkreisen.
Rens Veltman verknüpft nun die technologischen Eigenschaften von Maschinen und Algorithmen mit den ästhetischen Parametern der Kunst, indem er Roboter baut, die Zeichnungen ausführen.
Seinen ersten Roboter baute Rens Veltman im Jahr 1995, der damals noch 6min der Länge gemessen hatte und nach dem kartesianischen Prinzip funktioniert hat, das heißt er fußte auf den Koordinaten x und y und konnte wohl Punkte zeichnen, war aber noch nicht in der Lage Linien auszuführen.
Für die Ausstellung in der Galerie der Stadt Schwaz entwickelt Rens Veltman eine neue Serie von Polarrobotern, die von einem Mini Linux Computer gesteuert werden. Der Materialaufwand ist wesentlich kleiner, der Anteil der mechanisch bewegten Teile ist ebenso geringer, wie die Dynamik der Maschinenteile selbst. Die zunehmende Intelligenz der Maschine macht sich Rens Veltman zunutze, indem er ihr komplexere Aufgaben abverlangt – nämlich die Führung von Lineaturen, deren Lauf Veltman unter Anwendung spezifischer Algorithmen von seinem Computer oder sogar von seinem Smartphone aus steuert. Die Linie ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Sie gilt zum einen als Verbindung von Körper und Geist, zum anderen dient die Linie als Medium der Abstraktion mit dem Rens Veltman versucht Bewegungsabläufe zu erfassen. Dass es sich bei der menschlichen Bewegung um eine besonders komplexe „Linienführung“ handelt wird immer dann offensichtlich, wenn man sieht , dass die größten Trickfilmstudios an ihre Grenzen stoßen, wenn sie versuchen Körper zu animieren. In seiner Videoinstallation „hands have no tears to flow“, die im österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig im Jahr 2012 zu sehen war, bildeten diese „natürlichen“ Lineaturen der Körperbewegung den Ausgangpunkt für ein groß angelegte Inszenierung digitaler Punktwolken.
Rens Veltman vermochte mit diesem Projekt den Möglichkeiten technologischer Machbarkeiten eine Bühne geben, und zugleich einen kritischen Blick auf jenes hilflose Vertrauen zu werfen, das wir in Anspruch nehmen müssen, wenn wir nicht in der Lage sind Operationen jener Technologien nachzuvollziehen, denen wir uns mehr und mehr hingeben wollen oder/und müssen.
In der Galerie der Stadt Schwaz kommen vier Portalroboter zum Einsatz, die an die Wände der Galerie montiert werden und während der Dauer der Ausstellung laufend zeichnen. Rens Veltman wird die Position der Roboter mehrfach verändern und damit auch auf diese Art Einfluss auf die Wandzeichnung nehmen. Bei einer Finissage werden nicht nur die Prozessoren ihre Arbeit beenden, sondern wird auch eine Ausstellung zu Ende gehen, die als Prozess angelegt war.
Text: Eva Maria Stadler
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