Ausstellung
Signe Rose und Louise Sartor
Anti-Aging im Mittelalter Anti-âge au Moyen Âge
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Wir kannten den Künstler schon als wir noch Teenager waren und wurden am hinteren Ende des Tisches platziert neben den unwichtigen Kuratoren, dem DJ der After-Party und Ehemännern von zweitrangigen Galeristinnen. In einem Gewölbekeller mit geschlossenen Fensterläden wurde ein mehrgängiges Menü serviert. Hängende Bouquets aus Glühbirnen beleuchteten dicke Kritzeleien, die über unser Köpfe hinwegfegten. Kellner mit Nasenpiercings kredenzten zarte Stillleben: Gänselebermousse, Fischcreme mit Nussblättchen und eine Brühe aus grüner Papaya, die zusammen mit dem Sekt Candy Crush in unseren Bäuchen spielten. Ein Herr mittleren Alters zu meiner Linken, unterhielt mich damit, wie radikal seine Jugend gewesen sei. Niemand war angekotzt.
Signe Rose (geboren in Wien, aufgewachsen in Neuseeland, lebt in Wien) und Louise Sartor (geboren in Paris, lebt in Südfrankreich) haben schon mehrfach gemeinsam ausgestellt. Ihr Austausch findet kontinuierlich auch über größere Distanz und nicht nur anlässlich von Ausstellungen statt. Es ist eine Möglichkeit, sich bewusst auf ein Gegenüber einzulassen, die eigene Position beweglich zu halten, Aspekte des Einen im Anderen aufscheinen zu lassen. In der Ausstellung in Schwaz materialisieren sich Momente dieser Zusammenarbeit als Summe geteilter Erfahrungen und Auseinandersetzungen. Für die Galerie der Stadt Schwaz haben sie gänzlich neue Arbeiten produziert, die sie in den historischen Räumen des Palais Enzenberg diskret aufeinander beziehen.
Signe Rose hat bisher viel mit Gold und Schlagmetall gearbeitet, das sie mit Ketten, Kristallsteinen, Leder und anderen eher unerwarteten Materialien, wie z. B. Bierdosen kombiniert. In Schwaz verwendet sie erstmals Silber. Sie zeigt durchlässige, bewegliche Objekte, die von der Decke hängen als dreidimensionale Kritzel. Die lianenhafte Form entwickelt sich aus einem oder wenigen Stücken schwarzen Leders, die sich raumgreifend ausfalten. In ihrer Positionierung erhalten die abstrakten, performativen Objekte etwas Kreatürliches, Animiertes. Wie individuelle Charaktere haben sie Namen, beispielsweise „Kaa“, nach der Schlange aus dem Dschungelbuch oder „Baba Yaga“ nach einer russischen Hexengestalt.
Signe Rose’ besonderes Interesse für Edelmetalle hat biografische Gründe: ihr Vater ist Schmuckdesigner und sie selbst arbeitet als Vergolderin. Der Bezug zu Schmuckdesign und Mode ist auch in ihren neuen Arbeiten noch spürbar. Mode als kulturelle Ausdrucksform, die einen Horizont projiziert, vor dem sich formal-ästhetische und gesellschaftliche Fragen verbinden lassen, ist für beide Künstlerinnen relevant, tritt aber in Louise Sartors neuen Arbeiten zurück.
Bekannt ist Louise Sartor für kleinformatige Bilder, die sich auf gefundene Fotografien, Momentaufnahmen aus Mode und Jetset beziehen. In Schwaz jedoch zeigt sie eine Reihe von Stillleben, die mit einem Silberstift direkt nach der Natur gezeichnet wurden, nicht nach Fotos.
Entstanden sind sie an einem Ort an der südfranzösischen Küste, wo die Künstlerin außerhalb der Feriensaison lebt. Die Unterbrechung der Betriebsamkeit ist in den Zeichnungen und Malereien spürbar, die ganz einfache Motive zeigen: Küchenpflanzen, Gemüse, Bücher, Flaschen. Sie erscheinen wie Tagebuchaufzeichnungen aus einem ruhigeren Leben.
Sartor präsentiert die Zeichnungen paarweise. Nur die erste, die der Ausstellung im Foyer vorangestellt ist, bleibt einzeln. Diese aber verweist auf Colettes Text „Erwachende Herzen“, der die Beziehung zweier Jugendlicher - Vinca und Philippe, enge Gefährten seit Kindertagen - auf der Schwelle zum Erwachsenwerden und ihre aufkeimende Liebe mit all ihren Komplikationen beschreibt. Um Beziehungen geht es in der Ausstellung, um das Verhältnis der Arbeiten zueinander und zum Raum, zur Kunstwelt, zum Leben.
Im hinteren Raum rotiert langsam eine versilberte Deckenarbeit von Signe Rose, die strukturelle Ähnlichkeiten zu Louise Sartors Stillleben mit Rotem Shiso aufweist. Wie in der gesamten Ausstellung kommunizieren die Stillleben und Mobiles heiter gelassen miteinander, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Die Arbeiten von Signe Rose und Louise Sartor sind delikat und weisen dennoch Brüche auf. Sie sind attraktiv, aber sie lassen sich nicht fixieren. Sie sind gleichzeitig prekär und stark, glamourös und sperrig, zurückhaltend und zugänglich. Einerseits arbeiten beide Künstlerinnen mit handwerklicher Präzision und traditionellen Techniken, andererseits ist das Arrangieren von Objekten zu Stillleben für Abbildungszwecke ein zeitgenössisches Phänomen, wie man z. B. auf Instagram verfolgen kann. Die Frage der Interaktion der Dinge, die sich nicht nur in Abhängigkeit von der Wahrnehmung der BetrachterInnen vollzieht, sondern eigenständige Formen annimmt, ist ebenfalls hochaktuell.
Fotos © Verena Nagl
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