Ausstellung
Herzklopfen
„Ich war's nicht”, sagt die Künstlerin. Ehrlich gesagt, sagen Künstler*innen so einiges, solang der Tag lang ist. Mithilfe von Sprache ziehen sie die Tage um einiges länger, als wären es Kaugummis.
Wenn der Kaugummi eine Metapher für die Erinnerung ist, dann frage ich mich, was es bedeutet, wenn der unter eine Schulbank gedrückt wird, oder wenn jemand mit der Schuhspitze in dieser Erinnerung hängen bleibt.
Die Künstlerin tut halt so, als könne sie sich mit so einem Spruch aus der Verantwortung ziehen. Was ist überhaupt das Verantwortlichkeitsspektrum von Künstler*innen? Zieht sie sich aus der Affäre wie ein zündelndes Kind, welches soeben erwischt wurde?
Das Haus ist abgebrannt.
„Ich war's nicht“, schüttelt das Kind unschuldig den Kopf.
Dieses Hinstellen, das schlichte Behaupten, ist doch das älteste Schuldbekenntnis überhaupt. Ist im Grunde nicht dieses Zugeben der Auftrag der Künstlerin?
Niemand kann sich durchs Leben schlängeln, ohne hin und wieder die Haut zu wechseln. Was ist bitte unauffälliger als ein Outfitwechsel?
Das Chamäleon fürchtet den White Cube.
Das ist wahrscheinlich eine grundsätzliche Angst der Malenden. Zigtausende Male sitzen sie vor der weißen Leinwand und grübeln, ob sie schon wieder das Neue, das Echte oder vielleicht sogar das Richtige malen sollen.
Vielleicht ist es einfach eine Frage des Rhythmus. Der ursprüngliche Rhythmus, das sagte zumindest Canetti, das ist der Rhythmus der Füße.
Aber stimmt das wirklich? Oder ist es am Ende doch das klopfende Herz, dass die eigenen Atemzüge – vom Mutterbauch bis ins Totenbett – verdrängt?
Beim Malen ist das vielleicht gar nicht so anders: es klopft, es japst nach Luft und am Ende, ist die Leinwand voll, und die Ideen sind abgebrannt.
Ein Text von Tenzing Barshee
Zur Eröffnung findet eine Performance des britischen Musikers Steven Warwick statt.
Foto © Sophie Gogl
Anhören