Ausstellung
Die in der Ausstellung präsentierte 32-teilige Fotoserie zeigt im Gegensatz zu früheren Serien erstmals Aufnahmen des erweiterten Freundeskreises des Künstlers im ca. 400 km von Schwaz entfernten Bayreuth in Nordbayern. Zum Zeitpunkt der Portraits Mitte der 00-er Jahre sind die ProtagonistInnen Anfang bis Mitte 20 und eigentlich den gemeinsamen Ritualen der Teenagerjahre bereits entwachsen. Zu diesen Ritualen zählte der gemeinsame abendliche Konsum von Musik, Alkohol, Nikotin und vor allem aber – und in all seinen Rausch maximierenden Varianten, dem im Ausstellungstitel im Imperativ zu verzehrenden – Shit – also von Marihuana.
Megerles Bilder dokumentieren einerseits die Sehnsucht der halluzinatorischen Fluchtbewegungen der Twens aus dieser Umgebung und andererseits auch die sich durch den Drogenkonsum verstärkte Schwerkraft und Macht der Umgebung, in der sie weiter versinken. Die Sequenzen der Portraits der FreundInnen des Künstlers werden unterbrochen von Innen- und Außenaufnahmen der nur wenig glamourösen Reihenhäuser, in denen die Treffen stattfanden und eben Schnappschüssen der sich darin wiederholenden Parties und Abläufe. Als wenige Belege der Angebundenheit an die restliche Welt, scheinen Nachrichtenfernsehbilder im elterlichen Heim, bzw. die Zuspitzung der kulturellen Isoliertheit, die Dauerpräsenz pornografischer Videobilder auf den Bildschirmen der Freunde zu dienen. Diese stilistisch konsequent in eine Atmosphäre der Wechselwirkung von Stillstand und drogenbedingter Betäubung getauchten Porträts einer FreundInnen-Szene unterhalb der von der Öffentlichkeit wahrgenommenen Ebene auf wenige Schauplätze beschränkt, zeigt mehrere, unterschiedliche Zugänge und Beziehungen des Künstlers zum Zeugenschafts-Medium Fotografie in Gleichzeitigkeit: mehrere Ebenen des Dokumentarischen verschwimmen, greifen ineinander, sie verschaffen repräsentativen Überblick und beschreiben intime Erscheinungen aus subjektiver Perspektive, oder aber Megerle bedient sich des Dokumentarischen selbst als Geste. Ursprünglich um Trennung seiner kontinuierlichen fotografischen Auseinandersetzungen mit seinem Elternhaus und der beiläufigen, nicht zur Präsentation bestimmten Fotochronik des Abhängens mit dem Familienersatz bemüht, kommt es hier zur Wende innerhalb des
eigenen Œuvre und zum Outing des Künstlers als nicht-nüchterner Dokumentarist der stagnierenden heimatlichen Szene und eigenen Involviertheit. Die Ausarbeitung der Fotografien bei einer diesbezüglich nur wenig Angebot bietenden deutschen Drogeriekette, die wiederum spezielle Rahmung dieser sind alles Details in der Präsentation, die die visuelle Wirkung der Abbildungen eines bestimmten, unwiederbringlichen Lebensabschnittes des Künstlers und der Portraitierten in einer gemeinsamen Falle verstärken: der Soundtrack zwischen Alternative und Hip-hop ist bereits mehrfach abgelaufen, die nächst größere Stadt zu weit, kulturelle Initiative im zu kleinen Ort zwecklos, Fragen der Gründung der eigenen Kleinfamilie oder des Wegziehens überdominant. Der französische Philosoph Roland Barthes fasste das Wesen der Fotografie einst derart zusammen, indem sie Lebendiges zeige, von dem man weiß, dass es schon tot ist oder tot sein wird - eine bekannte These, die aber in dieser Ausstellung zu Genüge faszinierende Bestätigung findet.
Text von Christian Egger (geb. in Innsbruck, lebt und arbeitet in Wien)
Foto © Till Megerle
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