Ausstellung
Tag und Nacht im Leben einer Bäckerei. Noch bevor wir die Ausstellung sehen, erzeugt dieser erzählerisch anmutende Titel eine Bandbreite von Bildern in unserem Kopf. Er suggeriert etwas Simples, etwas Vertrautes und schafft zeitgleich eine Art Neugierde auf etwas, das uns im ersten Moment noch verborgen bleibt, was sich trotz der Einfachheit des Titels nicht gleich zu erkennen geben möchte und womöglich auch irreführend erscheint.
Vittorio Brodmann’s Bilder erzählen Geschichten. In der Außergewöhnlichkeit des Gewöhnlichen spiegeln sich Produktionsweisen des Alltäglichen wider. Diese sind in den Gesten der Porträtierten als auch des Künstlers selbst zu erkennen und stellen die Frage nach der Selbstgenügsamkeit des eigenen Schaffens.
Brot ist eines der ältesten kultivierten Nahrungsmittel unserer Zeit. Überwiegend industriell hergestellt, vergisst man die Handfertigkeiten, die das eigentliche ‚Brot backen‘ mit sich bringt.
Brodmann schuf ausgehend von Abbildungen aus dem Netz eine Reihe von männlichen Portraits, die er zu Beginn des Jahres 2020 auf einer Seite von Brot-Sommeliers vorfand. Dort waren fast ausschließlich männliche Bäcker zu sehen, die diverse Qualitätskontrollen zur Überprüfung von Broten durchführten.
Mehrfach ging Brodmann von der gleichen Person aus, wandelte Gesichtszüge und charakteristische Merkmale ab und stellte die Überprüfung des Produzierten in den Mittelpunkt. Eine Geste, deren Ausführung vollkommene Hingabe verspricht. Selbstgenügsam und abgewandt von der Außenwelt. Die Handgriffe der Bäcker, die sich in unterschiedlichen Ausführungen wiederholen, aneinanderreihen, miteinander verweben oder überschneiden, stellen – anders als gewohnt – nicht das Visuelle in den Vordergrund, sondern das Riechen oder Tasten.
Der Moment dieser sinnlichen Geste des ‚Beschnuppern’ und ‚Erfühlen’ scheint wie in einer Sprechblase beim Comic, Bild in Bild Motive in Form von Wünschen, Träumen, Interessen, Sehnsüchten oder auch Ängsten zu erzeugen.
Brodmann stellt den Beruf des Bäckers seinem eigenen, dem des Künstlers, gegenüber. Während dieser im Moment der Qualitätskontrolle verhaftet bleibt, bricht Brodmann mit der herkömmlichen Herangehensweise der Malerei und hinterfragt zugleich ihre formale Logik. Das Rastersystem, an welchem sich die Malerei in einer Unsicherheitsgebärde festhält, wird wiederholt als Motiv aufgegriffen - ungezwungen und amateurhaft innerhalb seiner Bilder impliziert. Es funktioniert zum Teil zweckentbunden, oder ermöglicht ein weiteres Bild im Bild Motiv, welches in Folge als isoliertes, selbstständiges Bild erscheint.
Brodmann’s Farbgebung ist an emotionale Stimmungen als auch an sinngebende Inhalte des Bildes geknüpft. Sie folgt einer eigenen, nicht festzumachenden Logik. Der Prozess des Malens bleibt offen, verfolgt keine formvollendete Komposition. Was vorher war, kann später wieder übermalt oder verändert werden und schafft so Platz für neue Konstellationen. Wie Versatzstücke erscheinen teilweise Figuren oder Ansätze davon auch aus früheren Arbeiten.
Brodmann’s erfrischend humoristischer Umgang mit den Erwartungen an die Malerei, die Überhöhung des Alltäglichen und die gleichzeitige Frage nach der Zufriedenheit mit dem selbst Produzierten sind Teil der zu erzählenden Geschichte – eine Überlappung von Gleichzeitigkeiten, die es uns ermöglichen, unentbehrliche Informationen der Dinge wahrzunehmen, deren Tiefe in der Erfahrung und im haptischen Moment liegt.
Foto © Verena Nagl/Kunstraum Schwaz & Sebastian Eggler
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