Ausstellung
Anfang des Jahres 1997 zeigte Vera Vogelsberger eine Ausstellung, die sich ganz dem Thema Material widmete. Konkret interessierte sie sich für eine bestimmte Materialeigenschaft, nämlich Weichheit. Die Ambivalenz der vom Begriff 'weich' ausgelösten Vorstellungen war ein gedankliches Schlüsselmoment bei den Vorbereitungen zur Ausstellung. Auf der einen Seite erschien das Wort durchaus positiv konnotiert, verbunden mit Wohlbefinden, Harmlosigkeit, auf der anderen Seite aber auch negativ, mitschwingend etwa Schäche oder Ekel. Dann kam als weiteres Moment hinzu, dass man mit Weichheit auch die Möglichkeit einer Materialveränderung assoziiert, hervorgerufen zum Beispiel durch eine physische Aktion oder durch Wärme. Dabei wurde der nächste Faktor offensichtlich, nämlich dass eine durch Wärme oder Hitze erzeugte Veränderung des Materials meist mit einem bestimmten Geruch verbunden ist. So wurde für die Ausstellung die Transformation mitsamt ihren materiellen und olfaktorischen Eigenschaften zum zentralen Thema. Die drei österreichischen KünstlerInnen Max Böhme, Gabi Senn und Martin Walde verliehen den Galerieräumlichkeiten eine sinnliche und duftende Atmosphäre, die in den sechs Ausstellungswochen wiederum eine Geruchs- und Materialtransformation durchlief.
Max Böhme trug auf die ca 8 x 3 Meter große, zentrale Wand im Ausstellungsraum eine Schicht aus Make-up auf. In der Mitte des Raumes verband er die Decke und den Boden mit einem 3 Meter langen und 55 cm breiten Band aus dünnem, ockerfarbenem Latex. Weiters brachte Böhme in 20 Gemälden in unterschiedlichen Techniken mit seiner opulenten Malweise die Weichheit und Transformationsmöglichkeiten des Körpers zum Ausdruck.
Gabi Senns Schokoladenbilder machten die Materialveränderung von flüssig und weich zu hart und brüchig sichtbar. Die Weichheit war potentiell und unvermutet, erst bei näherem Betrachten oder Riechen erkannte man das Material Schokolade. Und erst dann wurden die Herstellung der Bilder und die Möglichkeit des Schmelzens oder Verderbens bei den BetrachterInnen zum Thema.
Zwei Wachsplatten lagen auf dem Boden und wurden durch Wärmelampen erhitzt. Bei Martin Walde wurde derart Weichheit direkt hergestellt. Der Übergang der beiden Aggregatzustände 'fest' und 'flüssig' ist der Schlüsselmoment. Aber ebenso wichtig war die langfristige Transformation der Wachsplatten durch die ständige Erhitzung während der sechs Ausstellungswochen. Waldes Shrinking Bottles, Melting Bottles, in der Kombination mit den zwei Wachsplatten, verkörpern die Transformation als Prinzip seiner Arbeit.
Für Vera Vogelsberger war die Ausstellung auch deshalb wichtig, weil sie darin den Versuch sah, über Weichheit Schwellenangst im Zugang zur Kunst vergessen, verschwinden zu lassen oder Schwellen erkennbar zu machen, um sie in weiterer Folge ihrer Bedeutung zu entkleiden oder abzubauen. Anstelle der Konfrontation, der punktuellen Konzentration auf einen Widerstand, auf einen Moment, verwiesen die Installationen und Werke auf prozesshafte Tranformationsmöglichkeiten im Denken und Handeln.
Text: Andrea Hörl
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